Aserbaidschan; 18.-22.07.2018

18.07.2018, Tag 25, Baku, Aserbaidschan; Tageskilometer: 4,3
Stellt Euch vor, wir fahr´n nach Baku

Bevor man Baku erreicht macht das Land einen tristen Eindruck. Karge Steppe, kaum grün, Stromleitungen ins Nirgendwo. Ab und zu eine Siedlung, die möchte man dann aber nicht ausführlicher betrachten. Doch dann erreichen wir Baku und da haut es uns um. Zum einen wegen der Hitze, Sauna, mittlere Bank ohne Aufguss. Zum zweiten wegen dem Stadtbild. Alles sauber gepflegt, hochmoderne Häuser, wohin man auch schaut. Klimatisierte Shopping Center, alles auf sehr hohem westlichen Niveau. Es gibt Geschäfte sämtlicher Modelabel, allerfeinste Ausstellungsräume, Lamborghini residiert zwischen Porsche und Ferrari. Später stellen wir fest, dass hier mitten in der Stadt Formel1 Rennen stattfinden, ähnlich wie in Monte Carlo oder in Singapore. Wir machen einen Bummel durch die Altstadt. Hier sind einige Paläste, Festungsbauten und Moscheen erhalten und die Altstadt gehört seit 2000 zum UNESCO Weltkulturerbe.

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Offensichtlich erlebt die Stadt gerade einen totalen Aufschwung. Baku ist die Hauptstadt der Republik Aserbaidschan und hat knapp über zwei Millionen Einwohner. Damit ist es die bevölkerungsreichste und auch flächengrößte Stadt im gesamten Kaukasus. Aserbaidschan selber hat knapp 10 Millionen, aber der allergrößte Teil der Aserbaidschaner lebt im Iran, denn dort gibt es nochmal knapp 15 Millionen. Früher gab es eine aserbaidschanische sozialistische Sowjetrepublik, seit 1991 ist das Land unabhängig. Es wird jedoch wie zuvor autokratisch regiert.

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Wir treffen ein paar einheimische Jungs, die könnten unsere Söhne sein. Einer entwickelt Smartphone-Apps, einer hat gerade ein Medizintechnik Start-Up gegründet, ein anderer gründet private Schulen und Universitäten. Die sind allesamt gut drauf und erzählen uns viel von ihrem Land. Auf die Frage, ob sie sich als Europäer oder Asiaten fühlen, antworten sie: „Wir sind Kaukasier“. Wir sitzen in einer Bar, eine blonde Schönheit mit einer Stimme irgendwo zwischen Joss Stone und Amy Winehouse haucht ins Mikrofon. Im Hintergrund läuft Championsleague Qualifikation, Qarabag kommt durch ein 0:0 weiter. Die Jungs erzählen von der Wehrpflicht. Standard sind 18 Monate, wer studiert muss nur 12 Monate zur Armee. Und sie erzählen von den Konflikten an ihren Grenzregionen. Dort gibt es jeden Tag kleine Scharmützel. Jeden Tag sterben einige Soldaten. Jeden Tag verlieren sie ein paar von den ihren.

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19.07.2018, Tag 26, Baku, Aserbaidschan; Tageskilometer: 114
Am Kaspischen Meer

Die Jungs haben uns in ein Strandhaus in der „Sea Breeze“ Anlage am Strand vom Kaspischen Meer eingeladen. Fünfzig Kilometer Anreise, auf der Fahrt staunen wir über Kleinigkeiten. Zum Beispiel das Tankstellennetz. Jede stellt für sich ein architektonisches Kleinod dar. Eine ist futuristischer als die andere. Der Diesel kostet umgerechnet 30 Cent pro Liter, Benzin kostet 45 Cent bzw. 60 Cent.

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Wir baden im Kaspischen Meer und diskutieren, ob das Wasser nun salzig ist, oder nicht. Ich denke, das ist ganz eindeutig Süsswasser. Wer auf Salzwasser tippt, ist bestimmt gerade hinter einem Kameraden geschwommen… Auf jeden Fall handelt es sich um den größten See der Erde, ohne natürliche Verbindung zu den Ozeanen. Seine Größe entspricht der Fläche von Deutschland und Belgien zusammen. Früher hieß er Kaspisee, doch aufgrund seiner Größe benannte man ihn dann wohl doch als Meer. Und nach dem Baikalsee ist er mit seinem tiefsten Punkt von 1.023 Meter der zweittiefste See der Erde.

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Der Halbmond leuchtet am Himmel, als wir in der der Dunkelheit nach Baku zurückkehren. Die illuminierten Wolkenkratzer sind ein Erlebnis für sich. Man glaubt einen Science Fiction Film zu sehen, dabei ist alles real. Und doch auch wieder surreal. Surreal war auch das nächtliche Absingen des textlich ganz leicht angepassten „Baku“ Liedes der Horda aus der Südkurve mit Gitarrist vorm Hard Rock Cafe im Zentrum von Baku.

Lied „Baku“
(Melodie Stevie Wonder – „I just called, to say I love you“)

Stellt Euch vor, wir fahrn nach Baku,
Einfach mal Zeiss fast in Asien sehn,
Gerhard-Bus, Gestank und Eagles,
Grenzenlos, ein Traum, das muss niemand verstehen.

Ole, Ole, Ole, Zeiss Jena,
Ole, Ole, Ole, Ole, Ole,
Ole, Ole, Ole, Zeiss Jena.

Passt nur auf, einmal,
ihr werdet es schon sehn.

20.07.2018, Tag 27, Baku, Aserbaidschan
In der Warteschleife

Baku wird auch Stadt der Winde genannt. Wir wollten mit einem Cargo Schiff über das Kaspische Meer nach Turkmenistan fahren. Doch es gibt immer wieder Sturmböen, das Schiff liegt auf Reede und kann nicht anlegen. Wir stecken in Baku fest. Weitere Schiffsverbindungen scheinen nicht zu existieren. Die sich gegenüberliegenden Staaten Aserbaidschan und Turkmenistan scheinen auch nicht die besten Freunde zu sein. Überhaupt scheint es wohl zwischen allen Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres bzw. Sees Unstimmigkeiten zu geben. Wenn es ein See wäre, gäbe es exakt gezogene Grenzen, wenn man die denn festgelegt hätte. Wenn es aber ein Meer wäre, hat jeder seine, wie auch immer festgelegte, Meilen Zone, hinter der dann sein Staatsgebiet aufhören würde. Die Anrainer haben unterschiedliche Auffassungen. Was für den einen ein See ist, ist für den anderen ein Meer.

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Wie auch schon bei früheren Reisen werden wir erneut durch Schiffspassagen ausgebremst. Noch heute ist für mich unfassbar, dass zwischen zwei so großen Ländern wie Ägypten und dem Sudan einmal pro Woche eine archaische Fähre verkehrt. Allerdings hatten wir das damals hinbekommen. Oder das wir 2013 daran scheiterten das Rote Meer zwischen Sharm el Sheik und Hurgada zu überqueren und schließlich außen rumgefahren sind. Oder das es dazumal nicht gelang, von der Krim in die Türkei über zu setzen. Wir wollen das diesmal unbedingt verhindern. Aber Landwege sind uns abgeschnitten. Oben über Russland geht nicht. Wir haben ein gültiges Visa, aber eben erst für Ende August. Unten über den Iran ist auch keine Option. Wir könnten reisen, aber wann kommen wir in Turkmenistan an? Dort haben wir eigentlich einen festen Termin. Wir sollen von einer Travel Agency abgeholt werden, denn frei kann man das Land nicht bereisen. Wir hängen fest.

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21.07.2018, Tag 28, Baku, Aserbaidschan
Fliegender Teppich

Wie kommen wir weiter? Wir haben mittlerweile persönlich im Hafen vorgesprochen, die Erklärungen bleiben undurchsichtig. Das Schiff wurde noch nicht mal beladen. Kann es auch gar nicht, weil es immer noch nicht angelegt hat. Die Windböen hören auch nicht auf. Plan B mit der Landverbindung war hinfällig, wir fangen doch an, Plan C zu betrachten: Einen fliegenden Teppich.

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Der Besuch im Teppichmuseum war sehr interessant und aufschlussreich. Wir haben viel gesehen und gelernt. Den fliegenden Teppich, den jeder insgeheim suchte, haben wir dann aber doch nicht gefunden. Die Auswertung fand auf dem Vorplatz statt, wo der bisher beste Tee der Reise serviert wurde. Mit Erdbeermarmelade zum Süßen, alternativ gab es kandierte Früchte. Was für ein toller Geschmack, was für eine Sensation. Bei allerschönstem Wetter saßen wir im Schatten und diskutierten. Vor uns die ruhige See des Kaspischen Meeres, ganz leichter Wellengang, kaum Schaumkronen. Badewetter vom Allerfeinsten. Bis eine Windböe wie aus dem Nichts die Teegläser mitsamt Fotoapparat vom Tisch schoß.

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Wir fangen an, Flüge zu googeln. Zurück nach Istanbul in die Türkei und dann vorwärts nach Ashgabat in Turkmenistan. Momentan die einzige Alternative. Was für ein Quark. Doch dann ein Lichtstreif am Ende des Tunnels. Am Sonntag kommt die Lufthansa von Frankfurt nach Baku, um dann nach Ashgabat weiter zu fliegen. Was das für eine schräge Verbindung ist, erschließt sich uns nicht. Aber immerhin ist morgen Sonntag. Immerhin könnte uns die Lufthansa ausfliegen. Für ein paar Stunden steht eine funktionierende Lufthansa gegen eine nicht funktionierende turkmenische Cargo Linie. Aber wir wollten bei dieser Reise niemals fliegen. Wollen wir nicht.

22.07.2018, Tag 29, Baku, Aserbaidschan
Reise ins Innere der Erde

Die Entscheidung ist gefallen, wir können unseren Zeitplan nicht mehr länger aufs Spiel setzen und buchen mit Hilfe von Turans Kumpel die Tickets für den abendlichen Direktflug von Baku nach Ashgabat/ Turkmenistan. Da noch genügend Zeit ist, nehmen wir uns einen einheimischen Guide und fahren mit dessen Bus zu einem 70 Kilometer entfernten Schlammvulkan. Davon gibt es weltweit wohl ca. 700 Stück, allein 300 davon in Aserbaidschan. Doch nur in einem könnte man baden. Wir haben keine Ahnung, was uns erwartet.

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War das eine Touristenfalle? Wir fahren in eine völlig abgelegene Gegend, kein Auto mehr und erst recht kein Mensch zu sehen. Ein paar Hügel, die sanft in Richtung Ufer des Kaspischen Meeres fallen. Der Guide bedeutet uns, sämtliche Klamotten in Auto zu lassen. Nur mit Slip bekleidet wandern wir in die Berge. Nach einem Kilometer zeigt er uns das erste Schlammloch. Graue Schlammbrühe, es erinnert an flüssigen Ton. Und es blubbert mit mehr oder weniger großen Luftblasen. Aber der Guide weist zum nächsten Gipfel, da sollen wir hoch. Dessen Form sieht schon eher so aus, wie man sich einen Vulkan vorstellt. Nur mit „Schlüpper“ bekleidet klettern wir in die Touristenfalle, das parkende Auto haben wir längst aus dem Auge verloren. Wenn der Guide jetzt geht, stehen wir schön dumm in der Wüste.

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Der Krater hat fünf Meter Durchmesser und ist bis zur Kante mit vor sich hin blubbernden Schlamm gefüllt. Da sollen wir hinein? Wieviel tausend Meter geht es von hier ins Innere der Erde? Saugt es uns herunter? Wo hält man sich fest? Vorsichtig kriechen wir hinein. Sofort bemerkt man, nichts kann von hier ins Erdinnere führen. Wir schwimmen nämlich wie Korken. Die Kameraden tauchen trotzdem unter. Seit deren Auftauchen weiß ich, wie die Orks beim Film „Herr der Ringe“ gemacht werden. Wenn ich den Film irgenwann nochmal schaue, gibt es keine Orks mehr. Nur noch Reinhards und Holgis. Am Ende laufen wir schlammbesuhlt zwei Kilometer zum Meer und versuchen, die mittlerweile hart gewordene Schlammkruste wieder zu entfernen. Es war keine Touristenfalle. Es war ein einmaliges Erlebnis. Denn wer war schon einmal in einem Vulkan baden? Frisch gepeelt machen wir uns auf den Weg zum Flughafen.

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